5 Energie-und Klimapolitik der Zukunft
5.1 Die Energiepolitik anderer Länder
Deutschland hat einen Sonderweg eingeschlagen und ist mit seiner Entscheidung des kurzfristigen Ausstiegs sowohl aus der Atomenergie wie der fossilen Energie allein auf der Welt. In der Nuklearenergie z.B. hat es sich von der Hochtechnologie der zukünftigen risikoärmeren Reaktorgenerationen abgekoppelt. Deutschland verabschiedet sich damit von einem 300 Milliarden schweren Technologiebereich und schickt sein know how mit einem Teil der hochqualifizierten Wissenschaftler über die Grenzen ins Ausland. Das Magazin Focus titelt „ Selbstmord aus Angst vor dem Tode“ und weist darauf hin, dass das Risiko von Strahlenschädigungen nur wenig verringert wurde, da luftgetriebene radioaktive Schwaden nicht an Landesgrenzen Halt machen (105).
Ende 2019 sind weltweit etwa 450 Reaktoren im Betrieb und ewa 150 in der Planung (106). Japan , das nach Fukushima seine etwa 50 Reaktoren still gelegt hatte, fährt die ersten Anlagen wieder hoch und möchte bis 2030 20% seines Energiebedarfs mit Atomkraft abdecken. Schweden hat nach 30 Jahren Stillstand 10 neue Reaktoren geplant und die Schweiz hat wohl einen Ausstieg geplant, aber noch keinen Zeitpunkt festgelegt. In vielen Länder ist der Hauptgrund für diese Energietechnologie die Notwendigkeit die Klimagasreduktionsziele einzuhalten, wozu die „saubere“ Atomenergie bestens geeignet ist.
Die International Energy Agency (IEA) der Organisation OECD sieht in seinem WEO 2018 (World Energy Oulook 2018) zwischen 2016 bis 2040 einen Anstieg der weltweiten Nuklearenergiekapazität um 25% bzw 65 %, zum großen Teil getragen von China und Indien. Der erste Werte gilt unter Zugrundelegung der aktuellen energiepolitischen Planungen und Ankündigungen der einzelnen Staaten, bei dem der CO2 Ausstoss allerdings weiter ansteigt, während der 2. Wert das sog. „nachhaltige Entwicklungsszenario“ zugrunde legt bei dem die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden (106).
5.2 Das Ausland zur deutschen Energie-und Klimapolitik
Holger Douglas schreibt (107):
„Teuer, schlecht, erfüllt seine selbst gesteckten Ziele nicht – das ist die Bilanz, die jetzt das Weltwirtschaftsforum (WEF) Deutschlands Energiewende ausstellt . Die Zahlen, die die Ökonomen des WEF vorlegen, lassen selbst aus Sicht der Energiewende nur das Urteil »katastrophal« zu. Deutschland ist danach sogar um einen Punkt weiter nach unten gefallen und liegt jetzt hinter Portugal, Luxemburg, Neuseeland, Singapur, Irland, Uruguay. An der Spitze der Energiewendeländer steht auf Platz 1 Schweden gefolgt von der Schweiz und Norwegen auf Platz 3.“
Etwas weniger sachlich ist das Wallstreet Journal, das da schreibt:
„World’s dumbest energy policy: After giving up nuclear power, Germany now wants to abandon coal“ d.h. Die dümmste Energiepolitik der Welt: Nachdem es die Nuklearenegie aufgegeben hat, will Deutschland nun aus der Kohle aussteigen (108)
5.3 Kerntechnologie der Zukunft
Die zum heutigen Zeitpunkt geplanten Reaktoren der Zukunft sind Anlagen einer 4.Generation.
Die 1.Generation der Kernkraftwerke ab 1942 hatte zum Ziel, die optimierte Aufrechterhaltung einer Kettenreaktion zu erzielen. Dabei wurden als die beiden grundlegenden Reaktortypen der Siedewasserreaktor und der Druckwasserreaktor entwickelt. Entwicklungsrichtungen waren die Herstellung von Material für militärische Zwecke und eine regelbare Stromerzeugung.
Die heute weltweit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke werden zur zweiten Generation gerechnet. Sie ist geprägt durch eine wirtschaftliche Stromgewinnung im großen Umfang (2018 : ca.450 Anlagen). Im Lauf der Zeit kam es sicherheitstechnisch als Ergebnis der Analysen von Störfällen zu schrittweisen Nachrüstungsmaßnahmen (3.Generation). Durch diese „evolutionäre“ Entwicklung wurde versäumt, unter den möglichen Kernreaktor-Prinzipien nach dem garantiert sicheren (inhärent sicheren) Konzept zu suchen, so dass heute die Experten mehr oder minder offen feststellen, dass seinerzeit technisch und politisch falsch gehandelt wurde (109).
Die KKW der 4. Generation werden unter dem Gesichtspunkt eines in Zukunft stark steigenden Bedarfs an Elektrizität, bei gleichzeitigem Bemühen die CO2 Emission zu verringern, entwickelt. Dabei sind bereits im Design höchste Sicherheitsanforderungen berücksichtigt, so dass keine sicherheitstechnischen Nachrüstungen erforderlich sind. Damit sind besonders Konzepte gesucht, die “ inhärent sicher“ sind, also KKW’s mit Fehler verzeihenden (passiven) Sicherheitssystemen, die, für den Fall, dass eine Komponente oder Funktion ausfällt, die Kernkraftanlage in einem sicheren Zustand erhalten. “Inhärent sicher“ bedeutet also, dass eine Kernschmelze, wie sie sich in Fukushima ereignete, grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Zur Auswahl der geeigneten Konzepte entstand 2001 das GIF, eine internationale Initiative für Forschung und Entwicklung der künftigen Kernkraftwerke mit den Mitgliedern USA, Argentinien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Japan, Südkorea, Südafrika, Schweiz, EURATOM, China und Russland.
Eines der Reaktorprojekte ist die Entwicklung des Molten Salt Fast Reactor, an der u.a. Forschungsinstitute aus den deutschen Nachbarstaaten Niederlande und Frankreich beteiligt sind .
Die inhärente Sicherheit dieses Reaktortyps beruht auf seiner spezifischen Wirkungsweise : Weil der Brennstoff flüssig ist, nimmt sein Volumen bei Erhitzung zu, so dass die Kernreaktion verlangsamt wird (negativer Reaktivitätskoeffizient) – ein Mechanismus der Selbstregulierung. Darüber hinaus sind diese Reaktoren angelegt wie Badewannen: mit einem Abfluss am Boden, der durch einen Pfropfen verschlossen ist. Wenn sich die Reaktortemperatur unzulässig erhöht, schmilzt dieser Pfropfen, und der Kernbrennstoff läuft in ein abgeschirmtes Behältnis unter der Erde.
Ein anderes inhärent sicheres Reaktorkonzept ist der Kugelhaufenreaktor, der ebenfalls einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist. Bei einer Temperaturerhöhung werden mehr Neutronen, die die Kernspaltung verursachen, absorbiert. Dadurch sinkt die Reaktivität sowie die Reaktorleistung und damit die Temperatur im Reaktorkern (110).
Ein Prototyp des Flüssigsalzreaktors ist für Zeitraum 2020 bis 2030 geplant (111)
5.4 Atommüllrecycling
Es gibt keine Diskussion über die Risiken der Kernenergie, ohne die Frage zu erörtern: Was geschieht mit dem anfallenden Atommüll, wie werden wir die strahlenden und langlebigen Rückstände, die beim Betrieb üblicher Kernreaktoren anfallen, über Jahrmillionen sicher versiegeln und lagern?
Wie bei der Sicherheit zukünftiger Reaktoren bietet der wissenschaftliche Fortschritt der Kerntechnologie auch bezüglich der Atommüllverwertung erfolgversprechende Lösungen.
Ich verweise auf die Publikation (112) und gebe hier nur eine vereinfachte Zusammenfassung wieder:
Seit dem 31. Oktober 2016 läuft Block 4 des russischen Kernkraftwerks Belojarsk im kommerziellen Leistungsbetrieb. Es handelt sich um einen sogenannten Schnellen Reaktor vom Typ BN-800 mit einer Kombination von Eigenschaften, die ihn vom Gros der sonst üblichen Leichtwasserreaktoren unterscheidet. Im Gegensatz zum Leichtwasserreaktor, der mit langsamen, durch sog Moderatoren abgebremsten “thermischen“ Neutronen arbeitet, wird beim BN -800 die Spaltung durch schnelle Neutronen bewirkt. Mit hinreichend schnellen Neutronen kann man alle schweren Kerne spalten. Ausdrücklich auch U238, alle Plutoniumisotope und die minoren Aktinoiden (Americium, Curium, Neptunium usw.). Letztere sind für die Langlebigkeit des Atommülls verantwortlich.
Der BN-800 besitzt also die Fähigkeit nicht nur Uran, wie die herkömmlichen Leichtwasserreaktoren, sondern auch Plutonium und die übrigen Transurane als Brennstoff zu nutzen. Letztere sind die Abfallprodukte thermischer Reaktoren und für die Langlebigkeit des Atommülls verantwortlich. Der BN-800 kann damit in einem Betriebsmodus als sog „Schneller Brenner“ arbeiten, d.h. als „Abfallverbrennungsanlage“, die Strom erzeugt und zu weniger Reststoffen führt, die außerdem erheblich geringere Halbwertszeiten aufweisen und somit viel schneller abklingen. Mit dem schnellen Brenner glaubt man das Gefahrenpotential des „Atommülls“ auf einige hundert Jahre zu begrenzen und somit kein Endlager zu benötigen.
Während herkömmlicher Kernbrennstoff aus angereichertem Uran (U-235) besteht, wird der BN-800 mit MOX-Brennstoff (Uran-Plutonium-Mischoxid) betrieben. Das Ausgangsmaterial des Mischoxids stammt aus 2 unterschiedlichen Quellen: Da sind zum einen Reststoffe, die in herkömmlichen Kernreaktoren als Abfall anfallen, zum anderen abgereichertes Uran (U-238). Dieses fällt in Urananreicherungsanlagen als Abfall an und lässt sich in den üblichen Leichtwasserreaktoren nicht nutzen.
Bis Ende 2021 sollen sämtliche Uran-Brennelemente des BN-800 aus MOX-Brennstoff bestehen.
Eigentlich hatte der BN-800 von Anfang nur mit MOX-Brennelementen an den Start gehen sollen. Allerdings traten an den seinerzeit noch experimentellen, handgefertigten MOX-Brennelementen technische Probleme auf.
Die neuen MOX-Brennelemente hingegen werden nicht mehr manuell hergestellt. Sie stammen aus einer industriellen Serienproduktion.
5.5 Innovation aus Deutschland: Der Dual-Fluid-Reaktor
Eine der spektakulärsten Neuentwicklungen eines Atomreaktors der 4.Generation kommt aus Deutschland: der Dual Fluid Reaktor (DFR). Ihm haben sich Physiker des privaten Instituts für Festkörper-Kernphysik (IFK) in Berlin verschrieben. (112a.). In (112b) wird die umweltschonende und CO2-freie Energiegewinnung mittels Kerntechnologie und der heutige fortgeschrittene Standard bei der Abfallbeseitigung eingehend beschrieben. Einer der beiden Autoren ist Miterfinder des DFR.
Auf die grundlegende Idee reduziert, lässt sich das Dual-Fluid-Prinzip folgendermaßen skizzieren:
Bild 32a : Die beiden Flüssigkeitsschleifen des DFR, aufs Einfachste reduziert:
Brennstoff (gelb) und Kühlmittel (blau). In der verdickten Region findet die Kettenreaktion statt.
Zwei Flüssigkeitskreisläufe durchdringen sich: eine Brennstoff- und eine separate Kühlschleife. Erstere enthält geschmolzene Kernbrennstoffe (Salzschmelze), letztere flüssiges Blei, das die Wärme ableitet
Die hervorstechenden Eigenschaften des DFR:
- Inhärente Sicherheit:
Bei einem gänzlichen Zusammenbruch der Kühlkette treten Schmelzstopfen in Aktion. Die Brennstoffflüssigkeit fließt dann, der Schwerkraft folgend, in Auffangtanks, wodurch eine Fortsetzung der Kettenreaktion unmöglich wird.
- Recycling des Atommülls:
In (112a) wird erläutert:
„Der DFR zerstört sowohl seine eigenen Abfälle wie die der alten Kernkraftwerke. Übrig bleiben nur Spaltprodukte, die nach maximal 300 Jahren kaum noch radioaktiv sind. Die Suche nach einem Endlager für geologische Zeitspannen wird damit gegenstandslos.“
- Hohe Effizienz und geringe Kosten
# Konventionelle Leichtwasserreaktoren greifen knapp 1% des Energiegehaltes von Uran ab, der DFR dagegen fast 100%. Damit lohnt sich ökonomisch auch die Nutzung unkonventioneller Quellen mit niedrigem Uran- (oder Thorium-) Gehalt (z.B. Meerwasser).
# Die hohe Austrittstemperatur des Bleis von 1000 Grad Celsius enthält genug Energie, für eine kostengünstige Gewinnung von Wasserstoff, der dann in mehreren Schritten in Flüssigkraftstoffe umgewandelt werden kann. Die Berliner Physiker schätzen sehr niedrige Preise: Die Kilowattstunde Strom soll 0,6 Cent kosten, die Treibstoffe zwischen 20 und 40 Cent je Liter.
Billige Wasserstoffgewinnung
Im Vergleich zum Elektroauto kommt der Komfort des Wasserstoffauto deutlich näher an jene Standards heran, die man von Autos mit Verbrennungsmotoren gewohnt ist (größere Reichweite, geringe Tankzeiten) (112c).In den Akkus der E-Autos ist deutlich mehr Leistung und damit mehr Energie zur Herstellung notwendig. Zudem entstehen mehr problematischen Altlasten, wenn es später um die Entsorgung geht. Das Elektroauto kommt jedoch im Punkt Stromverbrauch und damit auch bei den laufenden Kosten deutlich besser weg, 6 Euro pro 100 km für das Elektroauto gegenüber 9 bis 9,50 Euro pro 100 km beim Brennstoffzellenauto. Dieser Nachteil des Wasserstoffautos kann durch die extrem preisgünstige Wasserstofferzeugung mittels DFR kompensiert werden. Man erhält also ein preiswertes Brennstoffzellenauto mit hoher Fahrdynamik und geringen Treibstoffkosten.
Allerdings noch mehr als für das Elektroauto, gibt es für das Wasserstoffauto ein Infrastrukturproblem: In Deutschland existiert heute noch kein ausreichendes Tankstellennetz.
> 6. Die deutsche Wirtschaft in einem technologiefeindlichen Umfeld